Nachlese SOZÖKNET-Tagung „Arbeitswelten in der sozial-ökologischen Transformation“ am 27.6.2023

Am 27.6.2023 fand in der AK Wien die Auftakt-Veranstaltung der Veranstaltungsreihe SOZÖKNETArbeitswelten in der sozial-ökologischen Transformation“ statt. SOZÖKNET ist eine Kooperation von AK und FORBA, im deren Rahmen Veranstaltungen zum Thema Arbeit und sozial-ökologische Transformation organisiert werden. Idee des Projekts ist es, den Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis zu fördern und insbesondere die Ebene der Betriebe und Beschäftigten in den Blick zu nehmen.

Link zur Veranstaltung: https://veranstaltung.akwien.at/de/arbeiterkammer-wien-arbeitswelten-in-der-sozial-oekologischen-transformation

Die Auftakt-Veranstaltung hatte zum Ziel, aktuelle empirische Forschungsbefunde zum Thema zu sammeln und zu diskutieren und deckte somit ein breites Themenspektrum ab. Die Veranstaltung folgte dem Format einer wissenschaftlichen Konferenz, war jedoch so angelegt, dass ein reger Austausch zwischen den Präsentierenden und den Teilnehmer:innen – Vertreter:innen aus Wissenschaft, Gewerkschaft und Praxis – möglich war. Im Folgenden sind die wichtigsten Erkenntnisse aus den Präsentationen und den Diskussionen zusammengefasst:

Zentrale Rolle von Arbeitnehmer:innen im sozial-ökologischen Umbau

  • Arbeitnehmer:innen sind die Träger:innen des sozial-ökologischen Umbaus, gleichzeitig sind sie aber auch stark von der Klimakrise sowie den politischen Gegenmaßnahmen betroffen
  • Die Arbeitswelt wird sich auf verschiedene Arten verändern: Während die Produktion und somit auch die Arbeit in gewissen Branchen reduziert werden muss, wird es eine steigende Nachfrage an bestimmten Berufsbildern (z.B. Bus- und Zugfahrer:innen oder Elektriker:innen) geben. In manchen Berufen verändern sich die Arbeitsanforderungen maßgeblich (z.B. Installateur:innen, Kfz-Bereich, Bauarbeiter:innen) und es können auch gänzlich neue Berufe entstehen (z.B. Servicetechniker:innen im Bereich erneuerbare Energien)
  • Bestimmte Branchen stehen aufgrund des steigenden Bedarfs an Fachkräften bei gleichzeitigem Fachkräftemangel vor besonderen Herausforderungen
  • Es braucht daher eine aktive arbeitsmarktpolitische Gestaltung, z.B. durch
    • Nutzung und Ausbau von Förderprogrammen und Beratungsangeboten für (Um-)Schulungen
    • Gezielte Ansprache gewisser Zielgruppen (Berufseinsteiger:innen, Arbeitssuchende, Frauen, Migrant:innen)
    • Anpassung der Ausbildungssysteme (z.B. durch eine fundierte technische Grundausbildung, mit der flexibel auf die sich verändernden Anforderungen reagiert werden kann)
    • Verantwortungsübernahme auf der Seite der Unternehmen (z.B. in der Ausbildung oder durch Anpassung der Arbeitsorganisation)
    • Aufwertung der betroffenen Berufsfelder („Job mit Sinn“)
    • Erweiterung von bestehenden Initiativen (Umweltstiftung, Aktionsplan „Just Transition“) durch eine umfassende Transformationsstiftung

Die Perspektiven der Beschäftigten müssen in den Blick genommen werden

  • Mitbestimmung und Einbeziehung der Beschäftigten ist essenziell, führt aber nicht automatisch zu einer Ökologisierung
  • Viele Arbeitnehmer:innen, vor allem jene, die in prekären Arbeitsbedingungen und unter hohem ökonomischen Druck arbeiten, haben andere Sorgen als die sozial-ökologische Transformation
  • Neben der symbolischen Anerkennung ist auch die materielle Absicherung der Beschäftigten in den Vordergrund zu rücken, Verteilungsfragen und die Stärkung des Sozialstaats spielen dabei eine wichtige Rolle
  • Betriebliches Lernen ist wichtig für die ökologische Transformation und die persönliche Entwicklung der Arbeitnehmer:innen, ist jedoch keine Selbstverständlichkeit, sondern muss aktiv gefördert werden
  • Technologische Rationalisierung kann oft mit geringerer Arbeitsqualität, Mangel an Entwicklungsmöglichkeiten, Sinnverlust etc. einhergehen

Die strukturellen Rahmenbedingungen müssen klimafreundliches Arbeiten ermöglichen

  • Die derzeitigen Strukturen erschweren klimafreundliches Arbeiten und Leben
  • Auch Betriebe, die sich aktiv dazu entscheiden, sozial und ökologisch zu wirtschaften, werden maßgeblich von den strukturellen Rahmenbedingungen beeinflusst und in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt
  • Unter Strukturen fallen u. a. auch die gegenwärtigen Zeit- und Arbeitsstrukturen (die Verteilung der Zeitressourcen zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeitszeit sowie persönlicher und freier Zeit)
  • Ein erweiterter Arbeitsbegriff, der neben Erwerbsarbeit auch andere Formen von Arbeit (z.B. Sorgearbeit) einbezieht, ist daher in der Diskussion um eine sozial-ökologische Transformation von Arbeit sinnvoll
  • Mögliche Neu-Konzeptualisierungen von Arbeit sind das Lebensarbeitszeitmodell des ÖGB Steiermark oder das Optionszeitenmodell in Deutschland

Klima und Soziales zusammendenken

  • Es ist notwendig, den ökologischen Umbau aktiv sozial zu gestalten (z.B. durch die Verbesserung von Arbeitsbedingungen und die Stärkung des Sozialstaats), um eine breite Zustimmung zu erreichen und niemanden zurückzulassen
  • Synergien zwischen Klima- und Sozialpolitik gibt es neben anderen Bereichen (z.B. Mobilität, Ernährung) auch im Bereich der Arbeit, beispielsweise durch die Aufwertung von sozial-ökologischen Jobs (u.a. im Care-Sektor und in den transformationsrelevanten Branchen) oder eine Arbeitszeitverkürzung auf 30h
  • Die Rolle des Staats kann durch die notwendige Transformation gestärkt werden, breite Partizipationsmöglichkeiten sind jedoch essenziell
  • Insgesamt muss Wohlstand neu definiert werden: Stärkerer Fokus auf gute und nachhaltige Arbeits- und Lebensbedingungen statt auf materiellen Wohlstand

Im Anschluss finden Sie die Präsentationen dieser Veranstaltung – in der Reihenfolge der Vorträge.